»Meine Spezialität ist
das Besondere.«

Juli Gudehus

mein roter Faden

Ein rotes, schma­les Hals­band war kurz nach der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on Erken­nungs­zei­chen derer, die der Guil­lo­ti­ne im letz­ten Augen­blick ent­kom­men waren. 

Ich tra­ge die­sen roten Faden als Zei­chen mei­ner Trau­er um gelieb­te Men­schen, die ich ver­lo­ren habe. Er erin­nert mich an die noch immer offe­nen Wun­den, die sie in mei­nem Her­zen und in mei­nem Leben hin­ter­las­sen haben. 

Jedes Mal, wenn ich den roten Faden vor mir im Spie­gel sehe, hal­te ich kurz inne und freue mich, dass ich selbst lebe, lie­be und atme! Und ich fra­ge mich, was mich in mei­nem Leben leitet. 

Ich tra­ge ihn immer wie­der mal – so lang, bis er sich von selbst löst und ich ihn ver­lie­re. Das kann ein paar Wochen, manch­mal Mona­te dauern.

Spä­ter erfuhr ich, dass ein roter Faden in der bri­ti­schen Mari­ne in alle Sei­le ein­ge­webt wur­de, um sie als könig­li­ches Eigen­tum zu kenn­zeich­nen. Und laut Wiki­pe­dia denkt man sich in Ost­asi­en den »roten Faden des Schick­sals« unsicht­bar um den Fin­ger der­je­ni­gen gewun­den, die dazu bestimmt sind, ein­an­der zu begeg­nen, da sie »ihre wah­re Lie­be« sind.

Zu Beginn der Pan­de­mie schrieb ich einen Text über Nähe und Nähen – dem wie­der­um icke, Ber­lin einen Satz ent­nahm und in ihre Früh­jahrs­kol­lek­ti­on 2021 inte­grier­te: »Mein roter Faden in die­ser Zeit ist die Nähe zu mir selbst.«