Kennst Du das Land, wo die Zitronensaftflaschen blühn? Na klar kennst Du es.
Und vielleicht kennst Du auch die seltsamen Blüten, die unsere Warenwelt teilweise treibt. Ich dokumentiere solche schon seit langem unter #Supermarktjuwelen auf Twitter, Instagram und Facebook. Unter #meineNatur dagegen poste ich Bilder von dem, was wir »Natur« nennen, im Spannungsfeld menschlicher Sicht und Produktion. Gelegentlich kommt es da auch zu Überschneidungen.
Einerseits fasziniert mich ja die Innovations- und Gestaltungsvielfalt immer neuer Produkte. Andererseits ist mir schmerzlich bewusst, dass wir im Müll ertrinken. Täglich werfen wir weltweit 3,5 Millionen Tonnen weg.
Auf diesem schmalen Grat mich bewegend begann ich, »Wertstoff« zum blühen zu bringen.
Flaschen, Dosen, Becher, Tuben, Verschlüsse, Hülsen, Netze und dergleichen, selbstgekauft und ‑verbraucht oder bei Spaziergängen am Wegesrand aufgelesen, gründlich gereinigt und desinfiziert: alle Bestandteile meiner Collagen gehören offiziell in die gelbe Tonne.
Ergebnis sind zwei Serien von Tonnenblumen; diese hier kräftig-silberstielig – aus Teilen der klassischen Draht-Kleiderbügel, wie man sie von der Reinigung stets mitgeliefert bekommt, die andere Serie zart-schwarzstielig – aus Teilen eines Deko-Dings, das ich im Sperrmüll fand.
Nicht von ungefähr erinnern die Blumenbilder an Stilleben alter Meister. Diese thematisierten die Vergänglichkeit alles Lebendigen. Meine dagegen lassen an die Unvergänglichkeit heutiger menschlicher Hinterlassenschaften denken. Mein Wegwerfkulturschaffen gibt zudem viel Aufschluss über das latente Produktdesign- und Markenwissen, das bei den meisten von uns das Wissen um Kräuter, Blumen und Bäume bei weitem überragt.
Auf flickr kannst Du Die Bilder in Deinem eigenen Tempo anschauen.
»Eine Dose ist eine Rose ist eine Dose. Schauma, wie schön!«
Gertrude Stein
Das »Wegwerfkulturschaffen« der Berliner Phänomenologin Juli Gudehus besteht aus Verpackungswahnsinn
Gerhard Matzig, »Wenn Müll Blüten treibt«, Süddeutsche Zeitung