»Meine Spezialität ist
das Besondere.«

Juli Gudehus

Icon spell – Bildzeichenfolgen als Weltsprache

Sich mit­ein­an­der ­ver­stän­di­gen zu kön­nen, ohne die­sel­be Spra­che zu spre­chen? Ein Menschheitstraum! 

Viel­leicht rein visu­ell? Unab­hän­gig von gespro­che­nen Spra­chen? War­um nicht anhand unse­rer zeit­ge­nös­si­schen Hiero­glyphen: ­Pik­to­gram­me, Logos, Icons und Sym­bo­le? In Aneinander­reihung lie­ßen sich mit sol­chen Kurz­botschaften län­ge­re Bot­schaf­ten kom­mu­ni­zie­ren. Auf die­se Idee kam ich als Stu­den­tin und über­setz­te die Schöp­fungs­ge­schich­te. Mitt­ler­wei­le weiß ich, dass außer mir wei­tere Leu­te die­se Idee hat­ten. Unab­hän­gig von­ein­an­der. In ver­schie­de­nen Län­dern und Zeiten. 

Alle frü­hen Kul­tu­ren kom­mu­ni­zierten mit­tels anein­an­der­ge­reih­ter Bildzei­chen. Von die­sen dürf­ten die ägyp­ti­schen Hie­ro­gly­phen am bekann­tes­ten sein. Wer hät­te gedacht, dass es unzäh­li­ge Gene­ra­tio­nen spä­ter neue Ansät­ze dazu geben könn­te? Seit Beginn des 20. Jahr­hun­derts nimmt ihre Zahl zu. Die­se Idee will offen­bar lau­fen ler­nen und die Welt sehen! 

Von Ein­zel­per­so­nen ent­wi­ckel­te (pik­to­gra­phi­sche) Uni­ver­sal­spra­chen blie­ben bis­lang jedoch erfolg­los, weil der Anreiz, sie zu ler­nen und zu benut­zen zu gering war

Den­noch.

Eine inter­na­tio­nal ver­ständ­li­che, visu­el­le Spra­che wird heu­te im Sin­ne von Völ­ker­ver­stän­di­gung viel­leicht drin­gen­der gebraucht denn je. Wäh­rend um uns her­um alles zuneh­mend in Bewe­gung ist, sind wir ziem­lich sprach­los. Un­sicherheit domi­niert Men­schen, Unter­neh­men, Insti­tu­tio­nen und Regie­run­gen. Grä­ben zwi­schen Men­schen, Kul­tu­ren und Natio­nen ver­tie­fen sich. Eine sol­che Zeit des Umbruchs, mei­ne ich, ist eine gute Zeit für neue Ideen.

Die Zeit dafür scheint über­reif, denn inzwi­schen sind die Umstän­de dafür güns­ti­ger denn je. Com­pu­ter, Smart­phones und Inter­net brach­ten eine Flut von Zei­chen mit sich. Sie machen es erst­mals mög­lich, Sym­bo­le nicht nur selbst zu zeich­nen, son­dern auch aus­zu­wäh­len und zu »über­set­zen«. Die welt­wei­te Ver­net­zung unüber­seh­bar vie­ler Men­schen erlaubt zudem auf nie dage­we­sen ein­fa­che Wei­se in kur­zer Zeit vie­le, unter­schied­lichs­te Intel­li­gen­zen zu mobi­li­sie­ren. Eine – der­zeit an Fahrt auf­neh­men­de – Form: künst­li­che Intelligenz. 

Also, viel­leicht gibt es einen Weg. 

War­um nicht Schwarm­in­tel­li­genz als Tur­bo­la­der einer visu­el­len Welt­spra­che ein­set­zen? Alle leben­den Spra­chen sind ja das Werk vie­ler. Je mehr eine Spra­che benutzt und berei­chert wird, des­to ver­ständ­li­cher und leben­di­ger wird sie. 

Dar­um mei­ne Idee, Men­schen aus den ver­schie­dens­ten Sozio­to­pen, Bran­chen, Gene­ra­tio­nen, Spra­chen und Kul­tu­ren als Ent­wer­fe­rin­nen und Tes­ter ein­zu­la­den. Alle, die einen Stift hal­ten kön­nen, kön­nen mit­ma­chen. Alle Teil­neh­men­den wären Expert*innen – für ihren eige­nen Erfah­rungs­ho­ri­zont und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil. Aus der Fül­le könn­ten die geeig­nets­ten »visu­el­len Voka­beln« und eine »Pik­to­gram­ma­tik« sich nach und nach her­aus­kris­tal­li­sie­ren. Ich stel­le mir das als orga­ni­schen Pro­zess mit offe­nem Aus­gang vor.

Mit mei­nem »Icon spell« Pro­jekt will ich Pop­kul­tur unse­rer Zeit mit imma­te­ri­el­lem Kul­tur­er­be zusam­men­brin­gen. Da jede Kul­tur ihre eige­nen Bild­zei­chen hat, kön­nen deren Ver­gleich und Dis­kus­si­on hel­fen, ein Bewusst­sein für Gemein­sam­kei­ten und Unter­schie­de zu schär­fen. Es könn­te dazu bei­tra­gen, Grä­ben zu über­brü­cken. Mit der Zeit könn­te das Icon spell Pro­jekt durch sämt­li­che Welt­ge­gen­den wan­dern bis es zum Selbst­läu­fer und selbst­ler­nen­den Sys­tem wird.

Aber kann das funktionieren? 

Expe­ri­men­te wären kei­ne, wenn sich ihre Ergeb­nis­se vor­her­sa­gen lie­ßen. Also, war­um es nicht ver­su­chen und schau­en, was pas­siert? Ich mei­ne, Bild­zei­chen-Kom­mu­ni­ka­ti­on hat nicht nur eine lan­ge Geschich­te, son­dern mög­li­cher­wei­se auch in Zukunft viel vor.

Viel­leicht mehr noch als in deren Anwen­dung läge die Rele­vanz mei­nes Pro­jekts in dem damit ein­her­ge­hen­den Aus­tausch. Die­ser kann gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis und unver­hofft Ver­bin­dun­gen för­dern. Eine Chan­ce, Demo­kra­tie zu stär­ken und letzt­lich Frie­den zu stiften

Ein Anfang ist gemacht. 

In eini­gen Work­shops ließ ich bereits Stu­die­ren­de Begrif­fe und Tex­te in Zei­chen über­set­zen, zuletzt an der Hoch­schu­le für Gestal­tung in Schwä­bisch Gmünd im inter­na­tio­na­len Mas­ter mit Stu­die­ren­den aus Mexi­ko, der Ukrai­ne und Korea. In mei­nen Aus­stel­lun­gen im Muse­um für Gestal­tung Zürich und im Muse­um für Druck­kunst Leip­zig lud ich Besucher*innen ein, mei­ne Bild­zei­chen-Über­set­zung der »Gene­sis« in Form eines Rie­sen­puz­zles auf 30 m² gedank­lich nach­zu­voll­zie­hen und eige­ne Zei­chen zu abs­trak­ten Begrif­fen wie »mor­gen« oder »nur« zu ent­wer­fen. Die Ergeb­nis­se wur­den an einer »Roset­ta Board« beti­tel­ten Pin­wand gezeigt.

Im Sommer­se­mes­ter arbei­tete ich an der eco­sign Aka­de­mie in Köln erst­ma­lig mit Stu­die­ren­den an visu­el­lem Voka­bu­lar und einer Pik­to­gram­ma­tik. Neun von ihnen gaben im April mit mir und Karel van der Waar­de (Brüs­sel) zusam­men den aller­ers­ten Icon spell Work­shop beim New Euro­pean Bau­haus Fes­ti­val im Musée Art et His­toire in Brüs­sel. Men­schen aller Alter aus 26 Län­dern und ver­schie­dens­ter Beru­fe arbei­te­ten an visu­el­len Über­set­zun­gen aus­ge­wähl­ter Begrif­fe und Sät­ze. Immer wie­der bran­de­ten Gesprä­che auf. Es mach­te allen Betei­lig­ten sicht­lich Spaß. Ein ful­mi­nan­ter Projektstart!

In einem Was­ser­schloss bei Mei­ßen war ich mit die­sem Work­shop im Mai auf der Inter­dis­zi­pli­nä­ren Pfingst­ta­gung zu Gast. Ihr dies­jäh­ri­ges The­ma war »Was wäre, wenn«. 

Mit Lui­sel­la Strö­be­le und ihrem Label icke, Ber­lin lud ich im Juni im Rah­men von 48 Stun­den Neu­kölln dazu ein, Zei­chen und Zei­chen-Sät­ze zum The­ma »urba­ne Stil­le« zu ent­wer­fen. Die – über­ra­schend inter­na­tio­na­len – Teil­neh­men­den konn­ten ihre Bot­schaf­ten anschlie­ßend auf T‑Shirts über­tra­gen und sich damit foto­gra­fisch doku­men­tie­ren lassen.

Anfang Sep­tem­ber gab Nata­lia Ham­mer­meis­ter, eine mei­ner Stu­den­tin­nen aus Köln, dort zum Semes­ter­start bei einem inter­nen Rund­gang selbst einen Icon spell Workshop.

Kürz­lich sprach ich bei einer inter­na­tio­na­len Online-Kon­fe­renz der Sym­bol Group über mei­ne Visi­on. An den zwei Tagen ging es um »Icons for Socie­ty: Past, Pre­sent and Future«. Gast­ge­be­rin war die Bri­tish Aca­de­my. Gleich im Anschluss dar­an gab ich im Goe­the Insti­tut in San Fran­cis­co meh­re­re Icon spell Work­shops, einen davon im Pro­gramm des ers­ten Fes­ti­vals der Dele­ga­ti­on der Euro­päi­schen Uni­on im Gol­den Gate Park.

Was kommt als nächstes?

Im Okto­ber gebe ich einen wei­te­ren Icon spell Work­shop an der Media Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sci­en­ces in Berlin.

Im Novem­ber hal­te ich mei­nen Vor­trag auf Deutsch bei der Typo­gra­phi­schen Gesell­schaft Mün­chen. Im Dezem­ber bin ich damit ins Reich der Zei­chen ein­ge­la­den. Die Dōs­hi­sha joshi dai­ga­ku, eine Kunst­hoch­schu­le in Kyo­to, ver­an­stal­tet eine Kon­fe­renz zu Kli­ma­wan­del und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Im Zuge des­sen gebe ich beglei­tend einen Icon spell Work­shop. Zudem wer­den mei­ne Arbei­ten zu, mit und aus Zei­chen ausgestellt.

Für eine ers­te Icon spell Ausstellung+Experiment 2026 konn­te ich das Deut­sche Muse­um in Mün­chen gewin­nen. Seit Coro­na und Ukrai­­­ne-Krieg sind deren finan­zi­el­le Mit­tel jedoch dras­tisch redu­ziert. Ent­spre­chend stel­len wir der­zeit ent­spre­chen­de För­der­an­trä­ge. Ein ers­ter Erfolg ist die Zusa­ge des Freun­des­krei­ses des Muse­ums für eine Start-Finan­zie­rung in Höhe von 25T Euro. 

Soll­test Du Ideen, Vor­schlä­ge, Rat oder Unter­stüt­zung für mein Pro­jekt und mich haben, soll­test Du Lust haben mit­zu­wir­ken, freue ich mich auf Dei­ne Mail!

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